An(ge)dacht

Puh, dieser Vers hat es echt in sich, klingt er auf den ersten Blick doch ganz logisch und vertraut. Wenn man nicht genauer hinsieht, dann täuscht die scheinbare Vertrautheit schnell über den Tiefgang hinweg. Ich schätze, das passiert uns ständig, ohne dass wir es merken. Dieser Vers berührt eine Kernfrage, über die wir uns vielleicht viel zu selten Gedanken machen: Was zeichnet deinen Glauben aus? Woran machst du ihn fest?

Viele Menschen glauben an etwas: An die Menschlichkeit, an eine höhere Macht, an die Liebe. Doch ist das der Glaube, der hier gemeint ist? An Gottes Existenz zu glauben ist bestenfalls ein Anfang, aber sicher nicht das, was dieser Vers beschreibt. Was sagst du jemandem, der nichts mit Gott zu tun hat, wenn er nach deinem Glauben fragt? Der Vers kann uns dabei helfen, eine Antwort darauf zu fnden.

Der erste Punkt: „Glaube ist eine feste Zuversicht“. Zuversicht ist nach unserem Wortverständnis und nach dem Duden ein festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft, auf die Erfüllung bestimmter Wünsche und Hoffnungen. Glaube ist also zunächst ein festes Vertrauen. Das Positive hier ist laut dem Vers das, worauf man hofft. Anders ausgedrückt: Glaube ist das feste Vertrauen, dass eintrifft, auf was man hofft. Wie kann ein solches festes Vertrauen, eine Zuversicht aussehen? Ich denke, sie äußert sich in einem Festhalten an der Hoffnung, auch wenn alles andere dagegenspricht, wenn die äußeren Umstände so schwer sind, dass man kurz davor ist, die Hoffnung aufzugeben und dennoch sein Vertrauen auf Gott setzt. Das ist nicht immer einfach und stellt uns oft vor große Herausforderungen! Am Ende ist mein Glaube einfach „nur“ eine ganz bewusste Entscheidung: Vertraue ich Gott bedingungslos, auf Biegen und Brechen, oder rücke ich ab von meiner festen Überzeugung, dass Gott es mit mir gut meint.

Denn, und damit sind wir direkt beim zweiten Punkt, wir Menschen zweifeln. Wir zweifeln an allem möglichen, wenn wir uns nicht vorher eingehend davon überzeugt haben. Das ist unser Wesen und das weiß auch Gott. Warum steht dann da, dass der Glaube ein Nichtzweifeln ist? Also ich habe schon sehr oft gezweifelt. Auch daran, ob es Gott wirklich gibt. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss. Ganz im Gegenteil, Zweifeln ist gut und kann zu neuen Erkenntnissen führen. Ich bin Wissenschaftler und Zweifeln ist mein Beruf. Es ist sozusagen ein Grundpfeiler der wissenschaftlichen Praxis, dass man Sachen anzweifelt, bis man handfeste Beweise in Form von nachvollziehbaren Formeln oder Messwerten hat. Und selbst da bleibt ein Restzweifel, solange nicht andere Wissenschaftler zu den gleichen Schlüssen kommen. Auf diesem Weg schafft man fundiertes Wissen. Was kann der Vers dann meinen, wenn Gott mit unserem Zweifel rechnet? Auch hier ist es eine bewusste Entscheidung, auf Gott zu vertrauen, auch wenn man ihn nicht sieht, auch wenn Gottes Wesen für uns nicht wirklich fassbar ist. Würde ich mir noch so viel Wissen aneignen, so bliebe mein Horizont immer noch begrenzt und ich könnte Gott immer noch nicht erfassen. Ich vertraue darauf, dass Gottes Horizont weiter reicht und meine Vorstellung übersteigt. Ich vertraue darauf, dass Gott meine Begrenztheit und meine Zweifel sieht. Das Nichtzweifeln im Vers kann also nur so verstanden werden, dass das Vertrauen auf Gott das Zweifeln übersteigt. Wenn das der Fall ist, wird aus jedem Zweifel eine neue Gewissheit geboren, die unseren Glauben weiter stärkt. Und das ist doch erstrebenswert.

Arthur Varkentin

Erschienen im KOMPASS Ausgabe 180