An(ge)dacht August/September
Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden
Psalm 147,3
Es gibt Worte in der Bibel, die das Herz anrühren. Für mich ist dieser Psalmvers solch ein Bibelwort. Vielleicht weil es sehr gefühlvoll davon spricht, wie brüchig das Leben sein kann, und weil es zugleich sehr berührend beschreibt, wie Gott mit den Brüchen unseres Lebens umgeht. „Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden‟. So ist das Leben, es gibt zerbrochene Herzen und Wunden. Und so ist Gott, dass er zerbrochenen Herzen und Wunden zu seiner Herzensangelegenheit macht. Das Gebet des Psalmbeters strahlt diese starke Überzeugung aus.
Im Hintergrund des 147. Psalms steht die Erfahrung der Israeliten über den gewaltvollen Zerbruch ihrer Lebenssituation. Die feindlichen Babylonier haben Jerusalem zerstört, die Stadt Davids liegt in Trümmern. Viele Israeliten wurden aus der Heimat verschleppt ins ferne Babylon. Dort in der Gefangenschaft überkommt sie die schaurige Erkenntnis: Sie allein tragen die Schuld daran, weil sie allem Möglichen vertraut haben, aber nicht mehr dem lebendigen Gott. Und sie begreifen, wie schrecklich es ist, wenn diese lebensnotwendige Beziehung fehlt.
Unsere Lebenswelt ist eine andere als die der Israeliten vor 2500 Jahren. Aber die Erfahrung der Israeliten ist auch heute noch aktuell. Auch wir sind Menschen mit Brüchen und Zerbrüchen im Herzen, die Wunden des Lebens mit sich tragen, seien es kleine oder große Wunden. Manches in unserem Leben ist durch eigene Schuld zerbrochen und manches ist durch andere zerbrochen worden. Gott setzt bei unseren Scherben an. Er macht sie zu seinen eigenen. Gott verbindet zerbrochene Herzen als einer, der selbst erlebt hat, wie das Herz bricht und das Leben scheinbar in Trümmern liegt. Als Jesus Christus am Kreuz stirbt, trägt er, was wir zerbrochen haben, damit unser Leben heil werden kann.
Die Bruchstellen unseres Lebens, die uns ausmachen, werden nicht einfach spurlos ausgelöscht, sie verschwinden nicht. Sie werden stattdessen behutsam von Gott zusammengefügt und verbunden, aber sie schmerzen nicht mehr. Die Bibel nennt das Vergebung. Gott verbindet Wunden, indem er uns vergibt, was uns unter den Händen zerbrochen ist. Er hilft uns, denen zu vergeben, die etwas in unserem Herzen zerbrechen ließen. Das ist manchmal ein langer und vielleicht auch tränenreicher Weg – aber wie gut ist es, wenn Vergebung Wunden heilt! Wo aber Scherben des Lebens bleiben und schmerzen, da hält er sie mit uns aus. Bis er sie heilen wird, wenn wir bei ihm sein werden, und er uns alle Tränen von den Augen abwischen wird.
Das Bibelwort aus Psalm 147 ist eine Einladung beim lebendigen Gott in Behandlung zu sein. Die Frage ist, wie wir mit einem zerbrochenen Herzen umgehen: Ob wir alleine „herumdoktern‟ oder denjenigen verbinden lassen, dem es ein Herzensanliegen ist zu heilen.
Auf dem Deckblatt ist eine Schale zu sehen, eine wunderschöne Schale. Hier wurden Scherben zusammengefügt. Aus Zerbrochenem entsteht neues. 'Kintsugi' – Goldreparatur – nennt man diese japanische Handwerkskunst.
Zuerst wird Kitt verwendet. Dadurch gewinnt die reparierte Schale ihre Stabilität zurück. Sie soll aber nicht nur stabil sein und zusammenhalten, sondern auch schön aussehen. Darum werden die Bruchstellen mit Goldstaub beschichtet. Feine Goldadern entstehen. 'Kintsugi' versucht nicht die Risse zu verbergen. Die Bruchstellen bleiben, aber sie sind veredelt, die Schale wird zu einer Kostbarkeit. Jede wiederhergestellte Schale zeigt: Sie ist an verschiedenen Stellen gebrochen, aber es ist möglich, wieder ein Ganzes zu werden. So kann auch ein von Gott geheiltes Herz wieder zu einem Gefäß werden, das sich neu mit Leben füllt, mit Liebe, mit Hoffnung und Mut für die Herausforderungen des Lebens.
Tabea G.