An(ge)dacht Oktober/November 2022
Aber auch jetzt weiß ich, dass Gott dir alles geben wird, worum du ihn bittest.
Johannes 11,22
Es gibt eine Person der Bibel, die ich in den meisten Momenten nur allzu gut verstehen kann und ich mich in einigen ihrer Denkweisen und Handlungen wiederfinde. Es geht um Marta. Perfektionistisch, immer darum bemüht es allen recht zu machen, sich um alles zu kümmern und verärgert, weil andere ihre Ideale nicht teilen oder verstehen zu scheinen. Diese Marta kennen wir aus der Szene, als Jesus mit seinen Jüngern bei ihr und ihrer Schwester Maria zu Besuch ist. Vielleicht ist es dir beim Lesen auch schon mal so ergangen, auf die beiden Schwestern zu blicken und sie zu vergleichen – Marta, die nicht begriffen hat, worum es wirklich geht und dadurch von Jesus liebevoll getadelt wird und Maria, die scheinbar alles richtig gemacht hat, in sich ruht und ganz nah bei Jesus ist.
Wenn ich diese Begebenheit lese, wünsche ich mir zumindest ein Stück weit wie Maria zu sein. Und dennoch glaube ich, dass wir genauso viel von Marta lernen und ihrem Glauben nacheifern können. Dazu gehen wir in der Zeit einige Monate oder Jahre weiter: Lazarus, der Bruder von Maria und Marta, ist schwer krank und die Schwestern sehen keinen anderen Ausweg, als ihren Freund Jesus um Hilfe zu bitten. Und dann warten sie. Einen Tag, zwei Tage, drei Tage. Keine Antwort von Jesus. Lazarus stirbt. Trauer, Verzweiflung und viele Fragen bleiben. Jesus kommt in der Stadt an, als Lazarus bereits vier Tage im Grab gelegen hat.
Beginn einer kleinen Randnotiz: Jesus liebt die drei Geschwister, er kehrt immer, wenn er in der Stadt ist, gerne bei ihnen ein. Er hat ihren Hilferuf gehört und weiß genau, wie es um die Gesundheit von Lazarus steht. Und dennoch wartet er zwei Tage, bis er sich auf den Weg macht. Warum? Weil er einen Plan hat und den Menschen sowie seinen begriffsstutzigen Jüngern Gottes Größe und Macht demonstrieren möchte. Als er sich dann auf den Weg macht, weiß er bereits, dass Lazarus gestorben ist. Ende der kleinen Randnotiz.
Als Marta nun hört, dass Jesus nun endlich in der Stadt angekommen ist, gibt es für sie kein Halten mehr: sie will zu Jesus und wartet deshalb nicht, bis er zu ihr kommt, sondern geht ihm entgegen. Als sie die Worte „Herr, wärst du hier gewesen, würde mein Bruder noch leben“ an ihn richtet sprechen wahrschein-lich Trauer aber vielleicht auch Enttäuschung oder Verbitterung aus ihr. Schließlich hätte Jesus ja etwas tun können, das weiß Marta ganz genau. Und mal ehrlich, wer von uns würde nicht auch so reagieren? Schließlich kennt wahrscheinlich jeder von uns Situationen, in denen liebe Menschen erkranken, Schwierigkeiten in der Familie oder im Job bestehen, uns etwas Kummer bereitet oder es uns selbst körperlich oder physisch nicht gut geht. Und vielleicht hast du es auch wie Marta erlebt: Du betest, du hoffst auf Gottes Eingreifen. Du glaubst, dass er als der liebevolle Freund eingreift und hilft, dass er einen Plan hat und doch passiert nichts. Gar nichts. Die Gebete verhallen im Nichts.
Fasziniert bin ich in dieser Geschichte vom zweiten Satz, den Marta gegenüber Jesus ausspricht: „Aber auch jetzt weiß ich, dass Gott dir alles geben wird, worum du ihn bittest.“ Aber auch jetzt... Worte, die Macht besitzen und die innere Einstellung grundlegend verändern können. Trotz allem, was sie durchgemacht hat, trotz ihrer Trauer, trotz dass Jesus sie scheinbar im Stich gelassen hat sagt Marta: Aber ich weiß, dass du auch jetzt noch alles zum Guten wenden kannst.
Damit möchte ich dich (und auch mich) herausfordern, sich eine Scheibe von Martas Glauben abzuschneiden. Daran zu glauben, dass Gott nichts unmöglich ist. Bei Herausforderungen, Sorgen und Nöten nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern sich für ein Aber-Ich-Weiß-Leben zu entscheiden. Ja, mein Alltag mag anstrengend sein – aber ich weiß, dass Jesus mir Kraft gibt durchzuhalten. Es mögen Dinge nicht so laufen, wie ich es mir wünsche oder es brauchen würde – aber ich weiß, dass Jesus einen Plan hat und alles zum Guten wenden kann. Jesus mag manchmal weit weg scheinen – aber ich weiß, dass er in jeder Lebensphase mit mir geht und dass ich mich zu 100 % auf ihn verlassen kann, ganz egal was die Umstände oder Stimmen in meinem Kopf mir sagen. Ich möchte meinen Glauben und meinen Alltag immer mehr mit dieser Aber-Ich-Weiß-Perspektive von Marta leben. Bist du auch bereit dazu?
Lisanne Lührs