An(ge)dacht Februar/März 2021
Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
Lukas 10,20
Ich kann es mir lebhaft vorstellen: Da hatte Jesus 72 Jünger (nicht nur seinen engen Kreis der Zwölf) losgeschickt, um die Städte und Dörfer, die er besuchen wollte, schon mal auf den Rabbi aus Nazareth vorzubereiten. Wie „Schafe unter die Wölfe“, aber auch mit mancherlei Vollmachten ausgestattet. Nun sind sie zurückgekehrt und berichten voller Begeisterung von ihren Erlebnissen. Und wahrscheinlich will jeder die Erzählung des Anderen noch übertrumpfen. Hier ein krankes Kind geheilt, da einem Blinden das Augenlicht geschenkt, dort einen bösen Geist ausgetrieben, der einen Menschen jahrelang gequält hatte. Jesus hört sich das alles an. Vielleicht schmunzelt er sogar über die Geschichten und die Leidenschaft.
Ich allerdings werde schon etwas neidisch, wenn ich von diesen „Erfolgsgeschichten“ lese. Es ist alles so weit weg von meinem Leben und unserem Gemeindealltag.
Schließlich meldet sich Jesus zu Wort. Ja, die Jünger haben großartige Dinge erlebt, einen geistlichen Sieg nach dem anderen. Das redet Jesus auch nicht klein. Trotzdem kommt er nicht umhin, sie auf das Größere, Wichtigere hinzuweisen: „Freut euch aber, dass eure Namen in den Himmeln verzeichnet sind!“
Wunder sind und bleiben außergewöhnliche und seltene Ereignisse, die manchen Menschen den Zugang zu Gott erleichtern – aber auch nicht allen, wie schon die Evangelien berichten. So groß die Freude über Wundertaten und erfahrene Heilung ist – wichtig ist das, was Ewigkeitswert hat. Wie viel mehr gilt das, wenn ich keine Wunder erlebe und im tristen Alltag bin. Wenn die Gemeinde eher schrumpft als zu wachsen. Wenn das Coronavirus uns das Gemeindeleben verhagelt, uns mit Sorge um uns selbst und unsere Lieben erfüllt und immer mehr Opfer fordert. Jesus erinnert daran, dass für alle seine Nachfolger gilt: Wir dürfen uns – in jeder Lebenslage – auf den Himmel und die Begegnung dort mit Ihm freuen. Und so hat dieses Wort etwas Tröstliches: Selbst wenn ich immer wieder Niederlagen einstecken muss, so bleibt doch Jesu Zusage bestehen.
Am Ende zählen nicht die Taten, nicht die Wunder, nicht einmal die Macht über die Geister. Jesus selbst sagt sogar (Mt 7,22-23): „Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!“ – Eine erschreckende Perspektive!
Nur wie wir selbst zu Jesus stehen, ist das Entscheidende. Das heißt natürlich nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen und uns auf unsere Rettung zurückziehen sollen. Im Gegenteil: Das kann und will uns anspornen, die großartige Nachricht von der Liebe Gottes zu seinen Menschen weiterzusagen. Auch die 72 Jünger hatten neben dem Heilungsauftrag diese Aufgabe: die Verkündigung des Reiches Gottes – konkret die Vorbereitung auf den Besuch Jesu in dieser Ortschaft. Wie die Jünger sind auch wir aufgefordert, die frohe Botschaft weiterzutragen. Die Vorbereitung auf die Begegnung mit Jesus – das ist bis heute der Kern der Verkündigung: Menschen sollen Jesus kennenlernen, nicht als eine Person vom Hörensagen, sondern ihn persönlich. Damit können auch sie Teil von Gottes Reich werden – und dann kommen neue Namen in das himmlische Buch.
Andreas Verse