Flüchtlinge - Krise oder Chance?

Flüchtlinge strömen in unser Land. Seit Wochen beherrscht der beständige Zustrom von Flüchtlingen aus vielen Ländern die Schlagzeilen in den Medien.

Wie stehen wir als Christen zu diesem Zustrom von Flüchtlingen? Welche Chancen sehen wir darin? Welche Ängste haben wir damit? Muss der Zustrom nicht begrenzt werden?

Viele Fragen gehen einem bei dem Thema „Flüchtlinge" durch Kopf und Herz.

Auch der Deutsche EC-Verband hat sich in einer Stellungnahme dazu geäußert, die wir gerne hier im Wortlaut wiedergeben möchten:

Eine Stellungnahme des Deutschen EC-Verbandes.

Verabschiedet von der Vertreterversammlung am 10.10.2015

Die Gegenwart ist weltweit geprägt von Krieg, Vertreibung, Flucht und Wanderungsbewegungen in einem Ausmaß, dessen Größe noch nicht abzusehen ist. Deutschland ist davon indirekt durch einen massiven Zustrom von Flüchtlingen betroffen. Wir sind dankbar, dass sich unsere Regierung in dieser Frage an der christlichen Ethik orientiert und den Flüchtlingen im Rahmen der Möglichkeiten Zuflucht und Schutz gewährt, auch wenn das die Infrastruktur unseres Landes zeitweilig an ihre Grenzen bringt und eine langfristige gesellschaftliche Herausforderung darstellt.

Viele Menschen unterstützen das durch ihr ehrenamtliches Engagement für das Wohl von Flüchtlingen und ihre Integration in unsere Gesellschaft. Als Christen wollen wir uns an vorderster Front an diesem Engagement beteiligen, weil wir darum wissen, dass Gott ein Herz für Flüchtlinge hat und die Fremden in besonderer Weise der Fürsorge seiner Kinder anbefohlen sind (2. Mo 22,20; 23,9; 23,12; Hes 47,21-23). EC-Kreise im ganzen Land haben bereits ihre Häuser und Herzen für diese Fremden geöffnet, bieten Hilfe, Betreuung, Sprachunterricht, Freizeitgestaltung und dergleichen mehr
an.

Als Leitungsverantwortliche in den EC-Verbänden begrüßen wir dieses Engagement sehr und ermutigen alle anderen ECler, sich nach Möglichkeit auch an dieser Stelle einzubringen. Das kann als Initiative der örtlichen EC-Arbeit geschehen. Oft wird es aber effektiver sein, sich in bestehende Aktivitäten einzubringen oder neue Aktionen vernetzt mit anderen Gruppen und Personen zu starten. Auch die kleinste Zuwendung zu den Flüchtlingen hilft und jeder freundliche Kontakt ist eine Ermutigung. Je niederschwelliger die Angebote und je einfacher sie umzusetzen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie längerfristig durchgehalten werden können. Das Engagement für Flüchtlinge kann auch zu einer Ermutigung werden, mehr als bisher den Kontakt zu Migranten zu suchen, die schon lange in Deutschland leben.

Unter den aktuellen Flüchtlingen gibt es Christen, die sich gerne in unsere Gemeinden und Gemeinschaften aufnehmen lassen. Den Andersgläubigen, in der Mehrheit Muslime, begegnen wir mit der gleichen Liebe und Hilfsbereitschaft. Wir nutzen ihre Situation nicht aus, um sie zu einem Religionswechsel zu drängen. Gleichzeitig begegnen wir ihnen authentisch als Christen, die von der Liebe Gottes motiviert sind, und wenn es die Situation ergibt, bezeugen wir gerne was wir glauben und was das Fundament unseres Lebens ist. Gerade viele Muslime sind sehr an religiösen Gesprächsthemen interessiert und respektieren ein christliches Leben und Zeugnis. Auf jeden Fall wollen wir in Gemeinschaft und alleine anhaltend für die Flüchtlinge, insbesondere aber für die Zustände in ihren Herkunftsländern beten.

In vielen Gesprächen der letzten Wochen wurde deutlich, dass über diese hilfreiche Stellungnahme des Deutschen EC-Verbandes hinaus noch viele offene Fragen und Ängste existieren und angesprochen werden müssen.
Gerade auch Christen sind besorgt, ob der Islam in unserem Land zu viel Raum gewinnt, wenn nun viele muslimische Flüchtlinge in unser Land kommen. Werden Errungenschaften der christlich geprägten westlichen Kultur zurückgedrängt durch den sich verbreitenden Islam? Leider scheinen viele Politiker und Kirchenleute die Gefahr der Islamisierung nicht hinreichend ernst zu nehmen.

Als Christen ergreift uns Befremden darüber, welche Rolle und Bedeutung Kirchenvertreter und Politiker dem Islam in unserer Gesellschaft zuordnen. Problematisch ist besonders, wenn Politiker leichtfertig äußern, der Islam gehöre zu Deutschland.

Nur durch Christus ist Gott unser Vater, nur er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Unsere gesellschaftlichen Werte und Freiheiten sind wesentlich durch das Christentum geprägt und vielfach nicht mit den Auffassungen des Islam in Einklang zu bringen. Hier eine übertriebene Nähe zum Islam zu propagieren, geht deutlich in die falsche Richtung.

Wir Christen müssen uns allerdings immer wieder darauf besinnen, dass unser Herr uns nicht geboten hat, ein "christliches Abendland" zu errichten und dieses gegen andere Religionen zu verteidigen. Vielmehr lautet sein Auftrag (Mk 16,15): "Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur!"

Zusammen mit dem Liebesgebot unseres Herrn muss uns dies ein wichtigeres Ziel sein als alles andere - selbst wenn es die Beschränkung unserer persönlichen Freiheiten oder gar Leiden bedeuten sollte. Lassen wir unsere Sicht der Dinge von dieser geistlichen Perspektive bestimmen!

Nun ist das "Hingehen und Predigen" in vielen muslimischen Ländern nicht ganz leicht, weil christliche Mission dort verboten ist. Doch wie können Muslime mit dem Evangelium erreicht werden? – Röm 10,14b-15: "Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden?"

Bei allen verständlichen Bedenken tut sich hier in der Flüchtlingskrise eine großartige Möglichkeit auf, den Auftrag unseres Herrn zu erfüllen. Wir können nun in unseren eigenen Städten zu geflüchteten Muslimen "hingehen und predigen" – in Wort und Tat, geschützt durch Rechte und Freiheiten in unserem eigenen Staat.

In der Stellungnahme des Dt. EC-Verbandes wurde dabei bewusst keine politische Position zum Zustrom der Flüchtlinge bezogen – es geht nicht darum, ob oder wie man diesen regeln sollte. Und auf der dafür verantwortlichen politischen Ebene erkennen wir durchaus viel Versagen. Hier wird die Flüchtlingsfrage häufig ebenfalls sehr angstbesetzt diskutiert. Einen anderen Akzent hat dabei unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel gesetzt, indem sie sich in ihrem Handeln ganz klar von christlicher Nächstenliebe leiten lässt – selbst wenn sie dafür starken Gegenwind auch innerhalb ihrer eigenen Partei bekommt.

Es ist absolut notwendig, dass politische Gremien in naher Zukunft richtige Weichenstellungen bewirken und "gute" Entscheidungen treffen. Für uns als Christen in Deutschland stellt sich aber im Schwerpunkt die Frage, ob uns unser Herr nach Matthäus 25,35 einstufen soll „Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen‟ oder nach V. 42 – 43 „Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen.‟ ?!

Das, was Jesus fordert, geht wesentlich weiter als unser Grundgesetz oder die UN-Flüchtlingskonvention, denen unser Staat verpflichtet ist. Erst einmal kommen die Flüchtlinge als Hilfsbedürftige, egal ob Christen oder Muslime. Viele Muslime sind enttäuscht vom Islam, der ihnen Krieg und Verfolgung beschert hat. Gerade dann ist es gut, wenn sie hier durch uns den kennenlernen können, der wirklichen Frieden bringt. Und wenn uns einige der Muslime tatsächlich als "Feinde" begegnen sollten, die uns die Freiheit rauben wollen, ruft uns unser Herr dennoch zur Feindesliebe auf (Mt 5,44).

Zuversicht gibt 1. Joh 4,4: "Kinder, ihr seid von Gott und habt jene überwunden; denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist."

Lassen Sie uns im Gebet nach Gottes Willen in dieser Situation fragen und dann gemeinsam mit Liebe und Mut handeln.

Originaltext von Hendrik Lehmann
(bearbeitet von Wolfgang Breßgott)